• „bigbedi“ u. dergl. !!
     von Kurt Schiffel

Haben Sie sich eigentlich schon einmal Gedanken darüber gemacht, warum das Wort „Abkürzungen“ so lang ist ? Da würde doch ein „Abkü“ auch reichen, oder ?

Das lange Briefe schreiben gehört auch bereits der Vergangenheit an, nur mehr Langsatz – und Langtext – Fetischisten finden dort ihre lustvolle Betätigung. Es ist unumstrittene Tatsache, dass die Sätze immer kürzer werden. Galten sie früher als Zeichen einer gewissen Bildung,  so waren sie auch in den Büchern zu finden. Kürzere Sätze findet man vor allem in unseren Boulevardblättern, denn kürzere Sätze sind einfach verständlicher. Die Schriftsprache der Gegenwart, auch in der Literatur zu beobachten, grenzt sich nicht mehr so wesentlich von der gesprochenen Sprache ab.

Weniger Respekt vor der geschriebenen Sprache:

Durch die digitale Kommunikation, durch SMS und E-Mail läuft immer mehr die Alltags-Kommunikation schriftlich ab, „Schreiben, wie einem der Schnabel gewachsen ist!“ – lautet die Devise. Die Scheu vor dem geschriebenen Wort ist vor allem bei unseren Jugendlichen verschwunden und hat einem eigenen SMS-Dialekt Platz gemacht. Jugendliche verleihen sich selbst damit eine gewisse Form der Authentizität und halten sich ungeniert nicht an Normierungen.
    „Ich schreibe so, wie`s mir passt und da lass ich mir nichts dreinreden. Meine Freunde wissen eh, was ich meine!“, so ein Jugendlicher. Das erinnert ein bisschen an die Langhaarkultur der Siebziger-Jahre. Motto: Im Protest finden wir uns selber!

„Sorry.muss lernen.no 2u. heul.hdg. Mandy“,
so der Inhalt einer SMS-Nachricht. Wir hätten früher vielleicht formuliert: „Du, tut mir echt leid, dass ich nicht zu dir kommen kann, aber ich muss noch lernen. Ich habe dich sehr gerne, deine Mandy“
 Sprachliche Verarmung oder Fortschritt?

Bedeutet nun die SMS-Sprache eine Sprach-Verarmung oder vielleicht sogar einen gewissen  Fortschritt ?
Zwei Zitate spiegeln anschaulich  die Ambivalenz der gegenwärtigen Meinungen wieder:

 „Ein historisch einzigartiger Massenselbstmord einer in Tausenden von Jahren gewachsenen Wörter- und Regelgemeinschaft namens deutscher Sprache.“

(W.Krämer vom Verein zur Wahrung der deutschen Sprache)

 „Der Zwang zum Platzsparen macht ungeahnte Stilmöglichkeiten sichtbar. Die Schreiber erhalten einen schöpferischen Auftrieb und beweisen eine produktive Auseinandersetzung mit Sprache.“

(S.Moraldo, Sprachprofessor)

Das Handy ist einfach ein perfektes Mittel für die Alltagskommunikation. Nur, es muss eine einheitliche Codierung wie auch De-Codierung vorhanden sein. Und da legen unsere Schüler und Jugendlichen einen gewaltigen Kreativitätsschub und Erfindungsreichtum an den Tag. Und wehe, die Eltern versuchen davon etwas zu verstehen, einer neuen Codierung steht da absolut nichts im Wege.

„Wenn der Vater auch schon mit den Inliners zum Bankomaten fährt und die Mutter sowieso schon aussieht wie meine ältere Schwester, was bleibt dann mir noch  ? Lasst mir wenigstens meine Sprache!“

Diese Argumente haben wir doch schon öfter gehört, oder ? Die junge Generation hat sich immer schon in Sprache, dem Benehmen, den Normen  und der Mode von der älteren Generation abgegrenzt.

  Sätze wie :  „UR2good2B4got10cuXnine“  sollen Eltern und  Lehrer ja wirklich auch nicht verstehen, das macht diese Sätze, diese Sprache umso interessanter. (Mit dieser Art von schriftlicher Sprache hätten wahrscheinlich unsere konkreten und visuellen Poeten rund um Ernst Jandl, Gerd Rühm etc. ihre wahre Freude gehabt. Können Sie sich noch an den Aufschrei damals erinnern, als Jandls konzeptionelle und Friedrich Achleitners Mundart-Gedichte sogar in der Kronen-Zeitung erschienen sind?)

  Und, eins ist unter den Youngstern auch ungeschriebenes Gesetz:
Simst jemand in der Standardsprache, so outet er sich als megaout !!!
„hdg“ stammt beispielsweise von einer Schweizerin oder einem Schweizer, die mit dem Wort „lieben“ ein Problem haben, in der Mundart hieße dies wahrscheinlich bei uns: „hdg“ ( = ha di gern), aber ultramegaüberdrübercool ist logo und claro Englisch „ilu2“: "I love you, too".

Hier noch ein paar SMS-Bespiele, die einiges in sich haben:

Ka, gn8, *g*, ;-) ,  pg , 4u2, *fg* , :-) , bse , 2u , *lol* , :-D , bigbedi , 2l8, *knuddl*,  :-X,  bb ,  b4,  :-((,  sz,  j  

(Die Lösungen erfahren Sie auf einfachstem Weg bei Ihren Schülern oder Kindern.)

Diese “Abkü“ liefern ja wirklich gewaltigen Gedankenstoff, und jeden Tag kommen neue dazu. Toll, oder? Stellen Sie sich einmal die ungeahnten Möglichkeiten für die Literatur der Zukunft vor!

Wie wirkt sich nun aber die „SMS-erei“auf die Kommunikation aus?

Die SMS fördern in gewisser Weise die Unverbindlichkeit. Was ich ausgemacht habe, lässt sich mit einer Kurzmeldung binnen kürzester Zeit wieder rückgängig machen.  Und das Schöne an unangenehmen SMS: Ich muss meinem Gesprächspartner nicht in die Augen schauen, hinterm Handy bleib ich (fast) anonym. Das Angenehme dabei ist die Gewissheit, den Partner in kurzer Zeit erreichen zu können. Und genauso lassen sich Beziehungen knüpfen wie auch rasch wieder auflösen. Die sogenannte Hemmschwelle, mit jemandem den ersten Kontakt aufzunehmen, ist bei den Short-messages naturgemäß tiefer.

  Liebe ja per SMS – Liebe nein per SMS, das gehört heute zum Teenager-Schicksal. Vorbei  sind  die Zeiten, wo man auf der Wiese saß, Blüten zupfte und seufzte: „Sie liebt mich, sie liebt mich nicht, sie….“.

  Unter Schülerinnen und Schülern geschieht die Kommunikation zum großen Teil via Handy. Und mit dem Argument „In meiner Klasse haben alle eins…!“ kriegt jeder sein Handy.
Für unsere Jugendlichen sind Handys und im speziellen jetzt die SMS und die immer mehr in Mode kommenden MMS ihr erstes eigenes Medium, zum Teil – vor allem naturgemäß für die Eltern – eine mitunter auch kostspielige Angelegenheit. Das Handy ermöglicht es problemlos, an den Eltern vorbeizutelefonieren. Kein Auge des gestrengen Herrn Papa aufs Familientelefon. Der Kontakt mit dem Freundeskreis ist so eng wie noch nie. Events, Treffs, Dates werden per Handy organisiert.

Schule muss „Vielfalt“ akzeptieren:

Rechtschreibung, Stil, Grammatik haben im jugendlichen SMS ausgedient.
Andrerseits gibt es auch sehr viele Erwachsene, die eine wahre Freude dran haben, in ihren
E-Mails an Freunde und Bekannte mit allen Regeln zu brechen. Ehrlich, verwenden Sie auch am Ende von Mails vielleicht folgende Abkü :  mfG,  mlG, mvG, ….. oder dergl. ?

  Ein englischer Schüler schrieb vor einiger Zeit einen ganzen Aufsatz in SMS – Kürzeln, zum Schock der Pädagogen, die schon meinten, das Abendland stünde kurz vor dem totalen Untergang. Sprache verändert sich laufend, bloß so rasch, wie dies in den letzten Jahren stattgefunden hat, so rasant war´s noch nie. Und so ist auch die SMS  (oder sagt man: das SMS) eine Etappe, in welcher die Jugendlichen eine eigene Schriftsprache benutzen.

  Ich denke, die Ursachen, dass Sprache verkümmern kann, liegen nicht unbedingt in diesem Medium. Es gibt sogar Experimente, in denen man Schreibschwachen mit dem SMS-schreiben auf die die Sprünge geholfen hat.

   Schule soll diese Art der schriftlichen Kommunikation nicht als zweitklassig abtun. Die Schule muss sich auf die gegenwärtige Lebenspraxis der Vielfalt einstellen und begreifen, dass ein sehr vielfältiges und spielerisches Deutschsprechen stattfindet. Manche dieser SMS grenzen in ihrer Originaltät ja fast an kleine Kunstwerke.
Bloß, das sei aber auch ausdrücklich betont: Der geschliffene Stil hat in keiner Weise ausgedient. Das betonen Rhetoriker immer wieder. Für das, was oft gelesen wird, brauche ich eben eine dementsprechend gute Form. Nicht allzu provisorisch darf das sein, was man wiederholt nachlesen muss. Die Schüler sollen begreifen und lernen, dass gute und feine Formulierungen wichtig sind, dass ihre – wie die anderen Ausdrucksformen – eine bestimmte Möglichkeit der Kommunikation bedeuten.

  (Und übrigens:  „bigbedi“ heißt: „Bin gleich bei dir !“ )   ……….. kurt.schiffel@gmx.net

 

Kurt Schiffel

Ende