• Leben mit den Medien
   Kommentar von Kurt Schiffel

Die Vielfalt der modernen Medien und ihre rasante Verbreitung haben dazu geführt, dass sie aus dem schulischen sowie beruflichem Leben und auch aus der Freizeit keineswegs mehr wegzudenken sind. Auf die modernen Medien kann und will niemand wirklich verzichten. Jugendliche verbringen inzwischen so viel Zeit vor und mit diesen Medien, wie sie Zeit in der Schule verbringen. Dass Medien –egal welcher Art und zu welcher Zeit – immer im Blickpunkt der Kritik und Hinterfragung standen, ist auch bekannt.  Unseren Medien wird vorgeworfen, sie lenkten von der Realität ab, sie dienten nur mehr der reinen Unterhaltung, sie brächten durch Präsentation von Oberflächlichkeiten nicht wirklich etwas für Bildung und Bereicherung unseres Lebens.

Medien sind Geschichtenerzähler, sie produzieren Gefühle, sie liefern Bilder von der Welt, sie liefern Bilder von Menschen, von fremden Ländern, von fremden Planeten,….

Sie schaffen aber auch neue Welten, Kids sind im Fernsehen, auf Videos und PC-Games zuhause.

„Da bleibt ja kein Raum mehr für eigene Kreativität und Fantasie, da bleibt kein Raum mehr, sich etwas selber auszumalen oder auszudenken, das fertige Produkt Realität wird ins Haus geliefert!“ So oder ähnlich wird argumentiert, vor allem aber von uns Erwachsenen. Vor dem schädlichen Einfluss des Fernsehens haben uns ja bereits unsere Großmütter und Lehrer in den Sechzigern mit erhobenem Zeigefinger  gewarnt. Gekauft haben den Fernseher damals die Eltern…

Ein fertiges Produkt „Realität“ - oder nennen wir es lieber „Paralleluniversum“ – wird ins Haus geliefert. Anschaffungs- und Betreiberkosten spielen nur eine unbedeutende Nebenrolle. Es lebe die elektronische Großmutter! Es lebe die Virtualität! Die virtuelle Welt im Clinch mit der realen!

Heranwachsende sind dabei, sich die Welt, unsere Welt,  zu erschließen, sie sich selber zueigen zu machen, den Umgang mit ihr zu lernen. Und dazu dienen sowohl die Anregungen aus der realen Welt wie auch die aus der Medienwelt.

Jüngere Kinder setzen das, was sie für wichtig erachten, häufig spielerisch um. Im Spiel werden dann die mediale oder die reale Welt für den eigenen Gebrauch nach eigenem Gutdünken umgemodelt. Man denke nur an Kinderpartys, wo „Österreich sucht den Superstar“ oder „Herzblatt“ u.ä. spielerisch und meist recht gut gelungen der Unterhaltung und dem Spiel dienen.

Und das gilt genauso für ältere Kinder und Jugendliche, die Medienvorgaben werden benutzt, eigene Vorstellungen abzugleichen und aktuelle Fragen daran zu überprüfen. Was die Youngsters irgendwie auszeichnet ist ihr respektloser Umgang mit den Medienvorgaben. Kritisch wird es allerdings, wenn sie sich den Medien kritiklos und bedingungslos unterordnen, dann  bleiben Fantasie und eigene Gestaltungen auf der Strecke.

Die Medien sind aber so vielfältig, dass, wenn Kind will, die multimediale Anwendung zur eigenen Kreativitätsentwicklung beitragen kann. Man denke dabei an diverse Zeichenprogramme, die Entwicklung von Fotostorys bis hin zur Gestaltung einer eigenen Website.

Ja, und dann ist da noch die Schule! Hat es nicht immer geheißen: „Fernsehen macht dumm, Fernsehen verblödet!“? Und die schlechten Schulnoten und die ungenügende Allgemeinbildung sowie jede fehlende Disziplin sind den Medien zuzuschreiben.

Die Medien – so eine weit verbreitete Mutmaßung – kleistern  unseren Kindern die Gehirne zu und füttern sie mit bedeutungslosen  Oberflächlichkeiten.

Wo, so fragt man sich, wo bleibt denn eigentlich der Bildungsauftrag des Fernsehens? Gibt es denn da nur mehr Unterhaltung, denn auch die Informationsvermittlung ist  inzwischen zur Unterhaltung mutiert. Sogar die Wissens- und Quizshows bringen nur punktuelles Wissen und dienen nur mehr der Unterhaltung. 

Ganz so einfach darf man sich das aber nicht machen. Es gibt Heranwachsende, die schlecht in der Schule sind und die verbringen nicht so viel Zeit mit Medien, andrerseits gibt es viele Heranwachsende, die trotz immensen Medienkonsums schulisch hervorragend sind.

Eines ist Tatsache: Entscheidend für die schulische Leistung ist das soziale Umfeld, die intellektuelle Anregung und Förderung, welche Kinder und Jugendliche von Eltern oder anderen Bezugspersonen erfahren. Unbestritten ist aber die Tatsache zwischen dem fatalen Zusammenhang von sozialem Umfeld und Medienverhalten. Benachteiligte Sozialmilieus sind die Basis dafür, dass Kinder weniger intellektuelle Anregung erfahren. Dort ist die mediale elektronische Großmutter im vollen Einsatz. Mit dem einher geht ein eher zeitlich ausuferndes und inhaltlich problematischeres Medienverhalten, sowohl von Eltern als auch von Kindern. Also muss man diese Wechselwirkungen von einer Bildungsbenachteiligung und einem auffällig problematischen Medienverhalten in Betracht ziehen, bevor man vorschnell nur den Medien Schuld an schlechten schulischen Leistungen gibt.

Medien können einen absolut positiven Einfluss auf das Wissen, den Wissens- und sogar Bildungszuwachs von Heranwachsenden ausüben. Horizonterweiterung, Sprachfähigkeitsentwicklung, Vergrößerung des aktiven und passiven Wortschatzes, Kennenlernen der Welt, ein Neugierigwerden auf die Welt, die Bereicherung des Allgemeinwissens...usw, um nur einige positive Aspekte der Medien zu nennen. Da bietet ja der Computer eine besonders ausgeprägte Lernwelt an. Gefährlich kann es werden, wenn kritiklos Informationen aus diversen Lexikas oder „Suchmaschinen“ übernommen werden. Nicht alles, was am Bildschirm aufscheint, muss auch wahr sein. Da kommt dem Unterrichtsprinzip „Medienerziehung – Richtiger Umgang mit Medien“ eine bedeutende Rolle zu. Und da brauchen die Heranwachsenden unbedingt die Unterstützung von Eltern und Lehrern. Das gilt vor allem für die Benutzung  des Internet. Die Struktur des Nets ist vor allem jüngeren Kindern zunächst nur schwer zugänglich. 20 Prozent der österreichischen Kinder haben bereits vor dem Schulbeginn Zugang zum Internet, in der vierten Klasse Volksschule sind es bereits 80 Prozent. Ein Großteil der Kinder verwendet das Internet nicht nur in der Schule sondern auch zuhause. Eine Gewinn bringende Nutzung braucht da absolut Hilfe. Vor allem die Trennung von Relevantem und Irrelevantem muss erst einmal gelernt werden. Im Netz werden ja sämtliche Inhalte nebeneinander als gleichwertig angeboten, und das macht ein effizientes Arbeiten dann ziemlich schwer.

Der Faszination der Medienwelt erliegen nicht nur die Kinder. Wenn der Krimi für den Papa am Freitagabend zur Pflichtkür zählt, das Fußballspiel zum Wohnzimmer-Event wird, so sind Comic- oder Actionserien für Kinder klarerweise  ein Muss.

Für frühere Schülergenerationen fand die Action noch in der Schule statt, gebannt lauschte man den Worten des GS – oder GW-Lehrers, tauchte beim Lesen von Karl May in eine fremde Welt ein. Die Action findet heute im Kinderzimmer statt. Abtauchen in die virtuelle Welt. Erschreckend, was eine 17-jährige unlängst  meinte: „Ich möchte aus der virtuellen Welt gar nicht mehr heraus, dort fühl ich mich so wohl. Die Welt da heraußen ist so arg!“ Ein lauteres Alarmsignal gibt es wohl nicht mehr. Und da brauchen Heranwachsende die Unterstützung der Eltern, um nicht in eine sumpfige Welt abzutauchen, aus der alleine  kein Entkommen möglich scheint. Es ist gefährlich, wenn diese Illusionalitäten für Kinder zur Realität werden, denn dann geht all das, was wir als Fantasie und Kreativität bezeichnen, unweigerlich den Bach hinunter. Eltern und Lehrer befürchten ja auch, dass Kids Gewaltdarstellungen aus den Medien nachahmen und dass sie durch Gewaltdarstellungen in den Medien der Gewalt in der realen Welt gegenüber abstumpfen. Zweifelsfrei wissenschaftlich belegt konnte bislang keine dieser beiden Vermutungen werden.

Nachgewiesen ist aber, dass Medien eine verstärkende Wirkung auf das Verhalten haben und manche Jugendliche eben die gezeigte Gewaltstrategie zur ihrer eigenen machen, um ihre Interessen durchzusetzen. Aber, Frage: Vielleicht sind die Gründe für ein derartiges Verhalten auch in der jugendlichen Realität, im sozialen Umfeld zu suchen?

Alter, Geschlecht, soziales Umfeld sowie das intellektuelle Anregungsmilieu bestimmen das Gewaltverständnis der Jugendlichen und auch, wie sie Gewalt in ihren Alltag einbetten.

Acht geben sollten Eltern und Lehrer vor allem auf die Vermittlung  so genannter „Medienklischees“, die den Status eines erstrebenswerten Ideals innehaben. Dass dahinter Kalkül steckt, braucht nicht diskutiert zu werden.  Was da als erstrebenswert, wünschenswert, besitzenswert dargestellt wird, kann schlichtweg als Medienterror bezeichnet werden. Speziell für Pubertierende, die mit ihrem Aussehen unzufrieden und ihrer Gefühlwelt nicht im klaren sind, bringen diese „Ideale“ Konflikte, nicht nur mit sich, sondern auch mit ihren Erziehern. In dieser Entwicklungsphase sind Heranwachsende besonders empfänglich für Klischees und Idealvorstellungen, die ihnen die Medienwelt vorgibt. Bereits im Jungmädchenalter wird bereits für eine Traumfigur gehungert. Jugendliche orientieren sich wohl eher an dieser vorgegaukelten Idealwelt, wenn die eigene Realität nichts Dementsprechendes zu bieten hat. Die Medienwelt und ihr Einfluss auf unsere Jugendlichen haben nur dann eine Chance, wenn wir Eltern und Lehrer es übersehen, den Kids den kritischen  und verantwortungsvollen Umgang zu vermitteln. Ansprechpartner sollen immer noch die Eltern, die Lehrer oder andere Bezugspersonen sein, dann erst wird das Internet oder ein anderes Medium gefragt.


kurt.schiffel@gmx.net

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